Gespräch mit einem "Illegalen"

Gerade witzelte er noch im Café mit einer Lateinamerikanerin darüber, dass er 15 kg abnehmen müsse, um eine Frau kennenzulernen. Wenig später lässt mich Jorge* aber in einem Gespräch erfahren: Er sei nicht zwingend auf der Suche nach einer Frau. Klar, er würde sich gerne verlieben und heiraten, eine Frau finden, mit und an der er geistig und spirituell wachsen könne, wenn er so eine denn mal kennenlernen würde. Aber einfach so, ohne Liebe zu heiraten, das wolle er nicht. „Ich möchte mir nicht mein Leben kaputt machen, nur wegen den Papieren.“

Jorge ist 45 Jahre alt und ein Freund des why not?. Er hat keine Papiere, ist also "illegal" hier. Vor 2,5 Jahren kam er nach Deutschland. Geplant war dies nicht. Ursprünglich wollte der sympathische Buchhalter, der aus Mittelamerika kommt, mit einem Freund in die USA fliehen. Denn sein Land befand sich in einer kritischen finanziellen Situation. Nachdem er – nach 13 Jahren - seinen Job bei der Bank verlor und vergebens nach einem neuen suchte und suchte und suchte, fassten die beiden den Beschluss: Sie wollten ein besseres Leben, ein neues Leben in einem anderen Land beginnen. Dafür wollten sie den „nassen“ Weg über Mexiko nehmen; also über den Fluss nach Texas schwimmen. Vier Versuche planten sie, doch immer wenn sie kurz vor dem Aufbruch waren, kam etwas dazwischen. Zuletzt der Tod des Vaters seines Freundes. So entschied Jorge, sich alleine auf den Weg zu machen.

Und dann kam alles anders. Jorge traf eine ihm bekannte Familie aus Hamburg, die sein Land besuchte. Die Frau fragte ihn, warum er nicht nach Deutschland käme, lud ihn indirekt zu sich ein. 15 Tage später saß Jorge im Flugzeug – auf den Weg nach Hamburg.

Er hatte ein Touristen-Visa für 3 Monate und besuchte die Familie. Und er blieb. Zunächst wohnte er bei der Familie. Nach einiger Zeit hatte er in der Gemeinde bei der City Church, in der er sich einbrachte, viele Kontakte geschlossen. Er half bei mehreren Veranstaltungen ehrenamtlich und konnte schnell Vertrauen aufbauen, so dass er sogar die Schlüssel vom Haus bekam. Jorge kam in der City Church unter, ein kleiner Raum dort, vielleicht 5qm, wurde zu seinem neuen zu Hause. Einer der Pastoren half ihm und unterstützte ihn auch finanziell. Das alles gab ihm sehr viel Kraft. Er war dankbar, ein Dach über dem Kopf zu haben, warm schlafen zu können und Anschluss gefunden zu haben.

 

Jorge brachte sich intensiv in der multikulturellen Gemeinde ein. Die Kirchenräume aber waren nicht langfristig dafür ausgelegt  und so bat der Pastor Glen vom why not?, Jorge in das Winternotprogramm „why not Rescue“ aufzunehmen.

Das war vor 1,5 Jahren. Das Programm war nach einiger Zeit zu Ende, doch Jorge blieb. „Wir wollten, dass er bleibt“ sagt Glen Ganz. „Er ist ein Freund – und wir können doch nicht einen Freund auf die Straße schicken?!“

Der eher zurückhaltende Latino hilft seitdem ehrenamtlich im Café überall wo er kann. Er berät andere und verwaltet die Übernachtungen des Notprogramms. Er ist für andere Flüchtlinge da, hilft Menschen mit und ohne Papieren – ohne dass er selber welche hat. Und ohne deutsch zu sprechen. Auch für unsere Fundraising-Veranstaltung, die aus einer Party und mehreren Workshops besteht, macht er die ganze Logistik. „Ich bin froh, dass Hans und Glen mir diese Verantwortung geben.“

 

Seine Pläne für die Zukunft:

Erst einmal deutsch lernen. Aus Spendeneinnahmen kann sein neu angefangener Sprachkurs finanziert werden. Des Weiteren will er auch in Zukunft Menschen helfen. „Und eine gute Frau treffen, mit der ich glücklich bin.“

 

 

*der Name wurde geändert

 

Mehr über "Illegale" können Sie auf unserer Veranstaltung am 7.11.2015 in der Christuskirche erfahren und hier.
Kleine Anmerkung noch zu dem Begriff "Illegale": Kein Mensch ist illegal! Wir benutzen den Begriff hier unter Vorbehalt dieser Anmerkung.

 

Text + Foto: Hannah Dietze

 

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Kommentare: 7
  • #1

    Daniel (Freitag, 30 Oktober 2015 17:23)

    Sehr berührende Geschichte. Ich verstehe nicht, warum wir nicht einfach in Deutschland Menschen aufnehmen können. Wir werden die nächsten Jahre regelrecht aussterben. Aber das hat vor allem auch etwas mit Menschlichkeit zu tun, andere Menschen aufzunehmen. Oder sind wir Tiere, die ihr Revier abstecken und verteidigen? Das Foto würde ich aber weg nehmen. Ich wünsche ihm alles Gute.

  • #2

    GLEN (Dienstag, 10 November 2015 13:54)

    Hinter einer Geschichte steckt ein Mensch. Ein Bild verdeutlicht das. So lange man ihn nicht erkennen kann.

  • #3

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  • #4

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